Chauvet – Höhlenmalerei

Im Kalkstein der südfranzösischen Berge verbirgt sich eine geheimnisvolle Schatzkammer der vielleicht ältesten Kunstwerke der Welt. Seit über 30.000 Jahren hatte kein Mensch oder größeres Tier mehr einen Fuß hinein gesetzt.

. . . . . .

Die unglaubliche Entdeckung

Am 18. Dezember 1994 bahnten sich 3 Höhlenforscher um Jean-Marie Chauvet einen Weg durch eine Menge Geröll auf einem Plateau im Ardeche-Tal und krochen durch lange Engstellen, bis sie schließlich in einer riesigen Tropfsteinhöhle landeten mit Hunderten von Wandmalereien und natürlichen Skulpturen.

In der Höhle herrschte eine andächtige Atmosphäre und die Wände schillerten dank der Tropfsteine in wundervollen Farben – berichteten die Entdecker. Sie wirkte wie eingefroren in der Zeit. Und die detailreichen Tiere an den Felsen schienen durch die vier Kammern der Höhle zu galoppieren, zu kriechen und zu jagen. 

Der deutsche Regisseur Werner Herzog war davon so beeindruckt, dass er 2010 den Dokumentarfilm „Cave of Forgotten Dreams“ über diesen besonderen Fund drehte. 

Die Höhle wurde nach seinem Entdecker benannt und zählt inzwischen zu den bedeutendsten archäologischen Fundstätten der Welt. Sie wurde im Juni 2014 in die Liste des UNESCO-Weltkulturerbes aufgenommen.

Ein besonderer Ort damals wie heute

Wenn man auf dem Wasser des Ardeche paddelt und durch den gewaltigen Bogen des Pont d’Arc kommt, kann man sich sehr gut vorstellen, dass auch schon die Menschen in prähistorischer Vorzeit von diesem Ort fasziniert gewesen sein müssen. Und es ist sicher kein Zufall, dass gerade hier die Menschen einen künstlerischen Ausdruck suchten.

Unterirdische Flüsse, die durch die Kalksteinhügel der Region fließen, schufen bereits Hunderte von Schluchten und Höhlen in der Gegend. Es war ein guter Ort, um sich vor dem Wetter zu schützen, Pläne für die Jagd zu schmieden und die Geister um Unterstützung zu bitten.

In der damaligen Zeit waren große Raubtiere wie Höhlenbären weit verbreitet. Am Boden finden sich noch echte Tatzenabdrücke – zweimal so groß wie ein Mensch – sowie zahlreiche Schlafmulden und unzählige Gebeine jener wilden Tiere, die hier überwinterten.

Ein bisschen oberhalb des Flusslaufes befindet sich der ursprüngliche Eingang zur Chauvet-Höhle, der durch einen Steinschlag noch während der Würm-Eiszeit endgültig verschlossen wurde . Seit dem lag die Temperatur im Inneren der Höhle das ganze Jahr konstant bei 13 Grad Celsius – so blieben die Tropfsteine, der Boden und die Höhlenmalereien über diesen langen Zeitraum erhalten und wurden von keinen Besuchern mehr gestört.

Auch heute ist sie für die Öffentlichkeit nicht zugänglich, da eine Veränderung der Luftfeuchtigkeit zu Pilzbefall und Schäden führen könnte. Selbst autorisierte Forscher dürfen nur zu bestimmten Zeiten im Jahr für begrenzte Stunden in der Höhle arbeiten. Aber dafür gibt es eine Alternative.

Die größte Höhlen-Nachbildung der Welt

Um trotzdem ein beeindruckendes Erlebnis mit einer annähernd authentischen Umgebung für Besucher zu ermöglichen, wurde eine detailgetreue Replik der Chauvet-Höhle unter dem Namen „Caverne du Pont-d’Arc“ erstellt.

Für dieses höchst aufwendige Projekt haben sich unter der Leitung von 15 Wissenschaftlern viele Maler, Bildhauer, Architekturbüros, Bühnenbildner und große Firmen der Baubranche zusammengeschlossen. Die Kosten beliefen sich auf 55 Millionen Euro, um die wichtigsten Details dank moderner 3D-Technologie im Maßstab 1:1 auf einen Raum mit 8180 m² Wänden und Gewölben zu rekonstruieren.

Diese Kopie in 3 km Entfernung zum Original ermöglicht es, die Schönheit und Bedeutung der prähistorischen Kunst nachzuvollziehen, ohne die Originalmalereien zu gefährden. Im Besucherzentrum wird das Leben der Steinzeitmenschen und naturgetreue Nachbildungen von damaligen Tieren durch Filme und Touchscreens veranschaulicht, sowie eine Laser-Show moderner Künstler gezeigt, um die Wartezeit für den Einlass zu überbrücken.

Seit 2015 kann man während der Führung etwa für eine Stunde auf einem Steg entlang wandern und die 27 Wandbilder der Höhle betrachten. Die Besichtigung endet vor dem großen Fresko der Löwen, einem monumentalen Wandbild von 12 Metern Länge, auf dem 92 Tiere in voller Bewegung zu sehen sind.

Die außergewöhnliche Kunst

Die prähistorischen Künstler verwendeten verschiedene Stile und Techniken wie Konturlinien, Schattierung und Perspektive, um ihren Werken Tiefe und Realismus zu verleihen. Mal wurden Zeichnungen mit Feuerstein geritzt, mal Farben aus Pflanzensäften, Blut oder anderen Rohstoffen aufgetragen. Die Verwendung von Ocker, Kohle und natürlichen Pigmenten ermöglichte ihnen, lebendige Farben zu erzeugen, die auch nach Jahrtausenden noch ihre Intensität bewahrt haben.

Sie zeigen eine bemerkenswerte Vielfalt an Tierarten, darunter auch einige, die inzwischen ausgestorben sind. Es gibt z.B. Wollnashörner, Höhlenlöwen, Mammuts, Wildpferde, Höhlenbären, Höhlenhyänen, Rentiere, Wisente, Auerochsen, Steinböcke, Riesenhirsche, Panther und eine Schnee-Eule. Die präzisen Darstellungen sind mit großer Detailtreue ausgeführt. Durch die Inszenierung tatsächlicher Szenen mit realem Verhalten der Tiere vermitteln sie ein Gefühl von Bewegung und Lebendigkeit.

  • Dieses Pferd wurde mit dem Finger auf die nun kohlensäurehaltige, weiche Tonschicht gezeichnet.
  • Die auf Löwen spezialisierten Ethologen betrachten diese Komposition als eine Szene vor der Paarung. Abgesehen von den Figuren weist diese Tafel Spuren zahlreicher anthropogener Ereignisse (Druck, Reibung, Stöße, Fackelabdrücke, Tonauflagen usw.) und tierischer Ereignisse (Krallenspuren, Polieren usw.) auf.
  • Gesamtansicht des Tafelbildes, bestehend aus 13 mit Kohle gezeichneten Tieren auf einer vorgeglätteten Oberfläche. Oben ein Hirschkopf und ein Pferdekopf, dazwischen zwei Rentiere, die in entgegengesetzte Richtungen laufen. In der Mitte befinden sich zwei Hirsche, Kopf an Schwanz, eingerahmt von einem Bison und einem Auerochsen, über einem Hirsch, gefolgt von einer roten Markierung. Unter den Hirschen, 0,50 m über dem Boden, befinden sich ein Fackelabdruck und ein stark vereinfachter Pferdekopf.
  • Die anatomischen Merkmale dieses Tieres, dessen Kopf um 180° nach hinten gedreht ist (was dank der Darstellung von Flügeln zu erkennen ist), erlauben es, es als Waldohreule (Asio otus) zu identifizieren. Sie ist auf einer Schicht aus weichem Ton gezeichnet. Höhe: etwa 0,30 m
  • Der einzelne schwarze Bär in einem unteren Bereich der Decke. Die Linie vor ihm könnte ein weiterer Bär sein.
  • Spuckendes Nashorn
  • Die beiden gekreuzten Wisente sind in schwarzer Farbe gezeichnet und durch Gravur hervorgehoben. Auf dem oberen Bison sind zwei Versionen des Körpers zu sehen, von denen die längste unproportioniert erscheint. Der untere Bison, der weniger detailliert ist, wurde durch den Durchgang der Bären durch die Höhle teilweise ausradiert. Auf der Tafel sind auch eine Reihe von eingravierten Strichen, die ein ungewöhnliches Zeichen bilden, und ein skizzenhaft eingravierter Mammutkopf zu sehen.

Neben den Tierdarstellungen gibt es auch stilisierte Zeichen und Symbole in der Höhle. Insgesamt über 400 Wandbilder mit rund 1000 Darstellungen wurden bisher erfasst. Die Wände zeigen ebenfalls etwa 10 negative und positive Abdrücke von Händen, weibliche Sexualsymbole und die außergewöhnliche Zeichnung eines weiblichen Unterkörpers neben einem Bison.

  • Es handelt sich um eine der wichtigsten Tafeln der Höhle, da sie etwa 50 Figuren auf einer Fläche von über 5 m vereint und 5 Tierarten (Nashorn, Katze, Pferd, Bär und Bison), positive und negative Hände, verschiedene Arten von Zeichen und zwei Gruppen von Handpunkten vereint. Die Gravur wurde als eigenständige Technik oder zur Vervollständigung bestimmter Tiere verwendet.
  • Rote Hände und großes rotes Rinozeros: Die Umrisse des Tieres werden durch feine Gravuren hervorgehoben.
  • Die Sprühzeichen befinden sich ebenfalls im hinteren Teil des Hohlraums, sind jedoch eingraviert. Das Kreuzzeichen ist eine auffällige Annäherung an unsere heutige westliche Welt.
  • Dies ist das am besten erhaltene Exemplar eines Handabdrucks, es befindet sich oberhalb des Mammuts.

Die Zwecke und Bedeutungen der Malereien in der Chauvet-Höhle sind Gegenstand von Forschung und Diskussion. Es wird angenommen, dass sie im Rahmen von Kulthandlungen und Initiationsriten verwendet wurden. Die Höhle war möglicherweise ein wichtiger spiritueller und kultureller Ort für die damaligen Menschen.

Die zeitlichen Abschnitte der unterschiedlichen Nutzung

Wann genau diese entstanden sind, darüber sind sich Experten seit Entdeckung der Höhle uneinig. Es gibt Hinweise darauf, dass Menschen die Höhle schon vor 37.000 Jahren besiedelten, aber immer nur für eine kurze Zeit blieben. Aktuelle Radiokarbondatierungen deuten auf zwei verschiedene Perioden hin:

In der ersten Phase – während des Aurignacien – zeichneten Künstler den größten Teil der Höhlenmalereien von Chauvet. Sie brachten Holz in die Höhle und verbrannten es, um Licht und Holzkohle zum Zeichnen zu erzeugen. Dann verließen die Menschen aus einem unbekannten Grund die Höhle für etwa fünftausend oder sechstausend Jahre, woraufhin sie von Bären besetzt wurde. 

In der zweiten Phase der menschlichen Nutzung, vor etwa 31.000 bis 28.000 Jahren BP (Gravettien) hinterließen die Menschen Fußspuren, Verbrennungsspuren von Fackeln und Holzkohle, aber keine Kunstwerke.

Viele Geheimnisse bleiben bewahrt

Die Entdeckung der Chauvet-Höhle markierte einen Meilenstein in der Erforschung des prähistorischen Menschen und seiner künstlerischen Ausdrucksformen. Sie eröffnet uns die Möglichkeit, unsere Vergangenheit besser zu verstehen und die faszinierende Geschichte der menschlichen Kreativität und kulturellen Entwicklung zu erforschen.

Die kartografierte Gesamtfläche wird mit mehr als 8.000 Quadratmetern angegeben, ihr tatsächliches Ausmaß bleibt allerdings unbekannt und manch ein Schatz wird vielleicht für immer im Dunklen verborgen bleiben.

Quellen:

Hinterlasse einen Kommentar