Jacob Maler trifft auf Jacob Böhme

Kunst inspiriert durch Philosophie

„Und so sah der göttliche Urgrund in sich selbst, wie ein ewiges Auge, welches alles sieht und doch nirgendwohin sieht. Es geschah, dass dieser Strahl der Liebe und des Lichtes, sich in die Dunkelheit des Nichts ergoss. Und in dieser Dunkelheit begann der Tanz der Polarität, das Spiel der Gegensätze, durch das die Welt der Erscheinungen entstand.“

– Jacob Böhme

Jacob Böhme gilt als ein herausragender Denker und Lichtpunkt seiner Zeit – des 16. Jahrhunderts. Er hat mit seinen Ansichten zur Schöpfung der Welt und des Menschen darin neue Ansätze vorgelegt.

Ihn interessierte die Stellung des Menschen in der Natur und im gesamten Kosmos.

Die Zeiten, in denen der unstudierte Philosoph geboren wurde, waren ähnlich chaotisch wie heute und ebenfalls in einem Übergang begriffen.
Luthers Thesen spalteten die Kirche, der 30jährige Krieg forderte viele Menschenleben und seit Copernicus war die Erde nicht mehr im Zentrum des Kosmos. Vieles, was einstmals Wahrheiten waren, wurde verworfen und die Suche nach neuen Sicherheiten treibt die Gesellschaft voran. Es ist eine Zeit voller Widersprüche und Umbrüchen.

Viele Denker und Künstler ließen sich von ihm anregen und bis heute findet sein Denken einen intensiven Nachhall.

Im Jahr 2024 ist sein 400ster Todestag, und darauf im Jahr 2025 sein 450ster Geburtstag. Eine gute Gelegenheit also sich mit ihm und seinen Ideen auseinander zu setzen. Es ist Zeit, diesen ersten Philosophen Deutschlands (wie Hegel ihn nannte) zu erforschen und zu fragen, was er uns heute sagen kann.

Sein Denken geht von der zentralen Frage aus, wie das Böse in Gottes Schöpfung und in die Welt kam. Wie können wir Menschen trotz Dualität zwischen gut und böse, friedlich und gerecht leben und liebevoll mit uns und allen anderen umgehen?

Diese Überlegungen scheinen auch heute wieder eine wichtige Rolle zu spielen.

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Beim Studium von Böhmes Texten ist mir aufgefallen, dass er die Ursachen der Probleme der Menschen nicht von Gott getrennt betrachtet.

Böhme sieht, dass der Mensch eine Besonderheit auf diesem Planeten ist.

Er ist Mikrokosmos des großen Makrokosmos Erde und besitzt alle ihre Qualitäten. Im Menschen kommt die Erde selbst zu Bewusstsein. Das unterscheidet ihn von allen anderen Wesen. Damit ist der Mensch Schlüssel der Natur.

Der Mensch ist in seiner Besonderheit zwar in dieser Welt, aber er scheint nicht von dieser Welt zu sein. Seine Fähigkeit zur Bewusstheit ist einzigartig.

In vielen Kulturen wird diese Begabung als göttlich oder transzendent bezeichnet. Mystiker aller Zeiten nehmen an, dass das Bewusstsein selbst kein Anfang oder Ende hat – nicht an Geburt oder Tod gebunden ist – endlos sei und das gesamte Universum durchzieht.

Böhme meint, dass der Menschen mit der Fähigkeit zur Bewusstheit seinem Wesen nach gleich zu setzen sei mit Gott.

„Gott ist selber alles und in allem…
Er ist der Grund und Ungrund, die Freiheit und auch die Natur, in Licht und Finsternis.
Und der Mensch ist´s auch alles, so er sich nur also selber suchet und findet – als Gott.“

– Jacob Böhme

Zentral für den Philosophen ist die Aufteilung Gottes in 3 Prinzipien.

Als 1. Prinzip steht das Nichts, die Finsternis, eine Art potenzielle Energie, die nach Realisierung drängt. Eine Urgewalt, die sich ihrer unbewusst ist. Sie ist die Grundlage, auf die sich die Welt gründet.

Hier sieht Jacob Böhme allgemeine Qualitäten von Zorn, Wut, Angst und Macht, die als Grundlage in die Schöpfung und in alle Wesen eingewoben sind.

Im 2. Prinzip entsteht aus dem Nichts, das zur Realisierung drängte, das Licht, die Kraft selber, die sich ihrer bewusst wird. Es ist der ewige Anfang. Sanftmut, Seligkeit, Liebe und Freude sind hier Qualitäten. Jesus ist nach Böhmes Aussagen damit identisch und offenbart diese Wahrheit.

Im 3. Prinzip entstehen aus den beiden ersten Prinzipien Dunkelheit und Licht, Unbewusstes und Bewusstheit, die Erde selbst. Gott selber wird Wirklichkeit, indem die Welt zusammen mit der Natur entsteht. Gott selbst wird Materie, als ewig schöpferische Kraft des Geistes.

Diese Prinzipien sind stets gegenwärtig und in jedem Wesen vorhanden, also auch im Menschen.

„Es ist überall die Geburt der heiligen Drei-Zahl in einem Wesen.“
„Die ganze heilige Dreifaltigkeit ist in den göttlichen Kräften der Liebe, Weisheit und Macht enthalten.
Und sie durchdringt alles, was existiert.“

– Jacob Böhme

Wenn man diese Prinzipien auf den Menschen anwendet, kommt es nach seiner Auffassung zu einer Aufteilung des Menschen in den äußeren und den inneren Menschen.

Der äußere oder animalische Mensch entspricht dem 1. Prinzip.

Nahrung und Genuss, materielles Streben nach Reichtum und Sicherheitsdenken sind hier zu nennen. Jedem Menschen wohnen diese Grundlagen der Existenz inne. Diese Selbstheit (wie Böhme sagen würde) ist notwendig, um als Individuum zu existieren.

Der innere Mensch jedoch sucht Bewusstheit, sucht Erkenntnis. Sein Blick geht in die Innwendigkeit zu einer Selbsterforschung.

Die verschiedenen Aspekte des Selbst zu studieren und auch die Schattenseiten in liebevoller Weise zu sehen, solle kultiviert werden. Diese Innwendigkeit sei der im Menschen angelegte Sinn auf Erden.

„…dass es ihm nützlicher und nötiger sei, dass er sich selbst recht lerne erkennen, was er sei, woraus oder von wem er sei, wozu er geschaffen worden und was sein Amt sei…“

– Jacob Böhme

Die Erkenntnisfähigkeit, wozu alleinig der Mensch fähig ist, wird als ein Ausfluss der Liebe Gottes betrachtet.

Der Mensch ist Herr dieser Welt, indem ihm die Gabe zuteil wurde, sich und den Kosmos zu erforschen. Dazu hat er Verstand und Sinneswahrnehmungen.

Aber um Herr dieser Welt zu werden, bedarf er zunächst der Selbsterkenntnis.

Böhme betont weiter, dass neben der Selbstkenntnis auch die Kontemplation in der Natur gehöre. Dort könne es ebenfalls zu tiefen spirituellen Erfahrungen kommen.

Durch die sinnlich wahrnehmbare Natur als „Leib Gottes“ wird dem Menschen die Begegnung mit dem Göttlichen gelehrt.

Denn: Die sinnlich wahrnehmbare Welt ist die Ausformung Gottes, die zum einen aus dem reinen Willen zur Gestaltung und zum anderen aus der Liebe und Sanftmut besteht. Es ist die Bewusstwerdung des in der Natur materialisierten göttlichen Willens.

Da die Kreation nicht abgeschlossen sei, sondern sich fortwährend verändert, ist auch der Akt der Schöpfung nicht abgeschlossen, sondern eine „ewige Gebärerin“.

„Du wirst kein Buch finden, da du die göttliche Weisheit würdest mehr finden zu forschen, als wenn du auf eine blühende Wiese gehest.
Da wirst du die wunderliche Kraft Gottes sehen, riechen, schmecken, obwohl es nur ein Gleichnis ist.“

– Jacob Böhme

Das einseitige Streben nach Selbstheit, Macht, Luxus und äußeren Begierden durch Ausbeutung ist gefährlich geworden für uns Menschen wie auch für alle anderen Lebewesen und sogar für das bisherige Gleichgewicht des Planeten.

Nach Jacob Böhme haben wir Menschen den 2. Aspekt unseres Wesens in der Vergangenheit zu sehr vernachlässigt.

Sanftmut, Seligkeit, Liebe und Erkenntnis unseres wahren göttlichen Ursprungs sind zu stark vernachlässigt worden.

Wie kann es aber zu einem Erkennen seines wahren Selbst kommen?

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Die Kultivierung des inneren Menschen ist dem Philosophen ein hohes Anliegen. Man solle lernen, seine wahre Wesenheit zu erkennen, die göttlichen Ursprung habe. Askese oder Weltentsagung seien dafür ungeeignet. Es gehe vielmehr darum, produktiv zu sein und selbstständig zu denken.

Das menschliche Leben hier auf Erden ist eine Aufgabenstellung, die in der Selbst- und Naturerkenntnis beginnt. Sie könne dann auch zum Erkennen Gottes oder der eigenen spirituellen Dimension des Menschen und ihrer Sinnhaftigkeit führen.

„Willst du Gott und die Ewigkeit schauen, so wende dich mit deinem Willen um ins Innere…“
„Nur wenn wir uns selbst suchen und lieben, so lieben wir Gott.“

– Jacob Böhme

Die äußeren Begierden des Menschen, soweit sie notwendig sind, sollen nicht geleugnet oder verdammt werden. Sie müssen gestillt werden. Jedoch können wir frei wählen, wie stark diese in den Vordergrund treten sollen.

Einfachheit und Schlichtheit scheinen hier der passende Maßstab zu sein. Wert solle auf Erkenntnis, Weisheit, Herzlichkeit und Liebe gerichtet werden.

Einseitige Egointeressen treten bei Bewusstwerdung immer weiter zurück. Übermäßiger Reichtum und Unterdrückung würden überflüssig.

„Machen wir einen Engel aus uns, so sind wir das,
machen wir einen Teufel aus uns, so sind wir das auch.
Wir sind alle hier im Machen in der Schöpfung…“
„Wir sind … ein Leib mit vielen Gliedern.“

– Jacob Böhme

Selbst wenn man in der heutigen Zeit weniger gottgläubig oder spirituell ist, so kann man aus den Erkenntnissen und Lehren des Philosophen dennoch wichtige Schlüsse ziehen:

Zum einen gilt es sich in einer regelmäßigen Übung aus dem Alltag mit seiner Hektik zurückzuziehen und bewusst die Stille zu suchen – etwa in der Meditation, am besten in der Natur.

Dort erfahren wir die intuitive Verbundenheit zu uns selbst und der ganzen Welt – ein Gefühl des Eins-seins lässt sich dort am besten finden.

Erkenntnisse, Fragen, aber auch konflikthafte Themen haben hier Raum, um angesehen zu werden. In der Ruhe können sie betrachtet und in ihrem Erscheinen angenommen werden. Nichts muss in der Stille gelöst werden. Mitgefühl mit sich und seinen Themen sind ausreichend, um zur Erkenntnis seiner eigenen Komplexität und Widersprüchlichkeit zu gelangen.

Was dort geschaut wird, kann dann auch auf alle anderen Lebewesen angewendet werden. Gelassenheit und Sanftmut treten hervor und ein intuitives Schauen ohne Wertung stellt sich ein.

In dem Gewahr werden des Selbst und der anderen Lebewesen können wir lauter Wunder entdecken und unsere untrennbare Verbundenheit spüren.

„Die Seele des Menschen ist verbunden mit der Seele des Universums,
und seine Handlungen wirken sich auf das gesamte Gefüge der Schöpfung aus.“

– Jacob Böhme

Jacob Böhme lehrt uns darüber hinaus, Entscheidungen nicht nur von unserem eigenen persönlichen Glück abhängig zu machen und lediglich unsere Bedürfnisse zu befriedigen, sondern zum Wohle Aller im Sinne eines großen Ganzen – und damit gerade auch der Natur – zu handeln.

Seiner Meinung nach hat jeder Mensch eine besondere Gabe, die ihm als Werkzeug von Gott verliehen wurde. Dieses Talent zu nutzen führt einerseits zur Demut und andererseits zur Erfüllung.

Die individuelle Wahrheit zu erkennen, ist ein stetig währender Prozess und nicht immer ganz einfach. Da wir als Menschen frei sind, haben wir immer wieder die Wahl, uns neu zu entscheiden.

Indem das eigene Hören, das eigene Sehen und Sprechen für eine Stunde am Tag der Stille weicht, kann man sich für die Bewusstheit öffnen. Durch das Erkennen des inwendigsten Grundes in dieser stillen Begegnung mit sich selbst zeige sich der unsichtbare Ursprung, der in jeder Wesenheit verborgen ist.

Dieser Zustand der Stille ist in allen Kulturen bekannt und wird von Praktizierenden oft Meditation genannt. In solch Versenkungen leert sich unsere Vorstellung von uns und es tritt ein sogenanntes supramentales Bewusstsein vor, das laut spirituellen Lehren auch zu Erleuchtungen und Offenbarungen führen kann.

„Also musst du in deinem Gemüte und Begierde … werden als ein kleines Kind und auf das sehen, …was dich innerlich ergreifet, was dich innerlich lehret und innerlich erfüllet.“
„Das Amt auszuführen bedeutet, diese Gabe zu entdecken und sie in Dienst der Menschheit zu stellen.“

– Jacob Böhme

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Das künstlerische Arbeiten in der Natur fühlt sich für mich an, wie ein Zurückkommen zum wirklich schöpferischen Akt, der selbst in der immerwährenden Schöpfung stattfindet.

Es ist reine Meditation, präsent zu sein, konzentriert alles aufzunehmen und die so gelauschten Momente in einem Bild festzuhalten. So fließt das Leben um mich herum durch mich in das Kunstwerk ein: das Licht- und Schattenspiel, der Wind in den Bäumen, das Rauschen des Wassers und die Geräusche der Tiere.

Die Beschäftigung mit Jacob Böhme wollte ich bewusst nicht nur auf rein intellektueller Ebene stattfinden lassen, sondern seine Ideen auch als konkretes Bildes künstlerisch umsetzen.

In meiner Position „Die Dreiheit“ führen die 3 Prinzipien einen Tanz auf zwischen Realität und Traum, hier und nirgends, jetzt und niemals, der Welt und dem Jenseits, Dunkelheit und Licht, Stille und Klang sowie Starre und Bewegung.

Der Geist der Energien leuchtet in allen Farben und Formen als wandelnde Wesenheiten auf der Oberfläche des Seins.

Videobeitrag auf YouTube:
https://youtu.be/JacobMaler-trifft-auf-JacobBöhme

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